Ankunft
Da war ich nun angekommen, Schloss von Karlstein. Gerade war der Zug wieder abgefahren, der mich und einige andere Jugendliche zum Internat. "Die fünften Klassen zu mir!", schrie irgendwo ein Betreuer. "Alle Neuankömmlinge hierher!" Da musste ich hin. Ich nahm meine Jacke und marschierte quer über den Platz. Dort stand eine junge Frau und winkte alle Neuen zu sich. "Willkommen auf Schloss von Karlstein!", sagte sie. "Jedes Jahr kommen Neue hier an, verschiedene Jahrgänge. Ich bin Julie und werde im Mädchenabteil Nr. 1 tätig sein. Okay! Mädchen hierher, Jungen dahin!" Alle stellten sich auf. Dann rief Julie alle Neuen nach Namen auf. "Luca Schneder? Jahrgang 6?" - "Das bin ich!", sagte ich und ging näher zu ihr. "Alles klar, Luca. Nimm deine Sachen und geh in das Mädchenabteil Nr. 2, einfach die Treppen hoch und und dann links!" sie zeigte auf einen Eingang. "Okay." Ich nahm meine Koffer und kämpfte mich die große Steinerne Treppe hinauf. Oben angekommen sah ich nach links. "Mädchenflur Nr. 2, Jahrgang 6", stand auf einer Holztür. Ich öffnete sie. Drinnen erstreckte sich ein großer Gang. Viele Mädchen liefen umher. Ich ging an ihnen vorbei. An einer Abzweigung des Flures stand eine junge Frau. Sie hatte langes, rotes Haar und Sommersprossen. Sie kam auf mich zu. "Hallo! Ich bin Kathrin! Ich bin hier die Aufseherin. Wie ist dein Name?", fragte sie mich. "Mein Name ist Luca Schneder.", sagte ich ihr. "Hey Luca! Das hier ist dein Zimmerschlüssel.", sie gab mir einen Schlüssel, auf dem stand: "Mädchenflur Nr.2, Zimmer 386" Kathrin bemerkte, dass ich planlos auf einige Zimmernummern schaute. "Du hast es arg erwischt, Luca. Dein Zimmer ist das hinterste. Es ist das einzige 3er Zimmer. Sonst gibt es nur 5er Zimmer. Geh einfach bis zum Ende des Ganges und dann die Treppe hoch. Es ist das einzige Zimmer im Turm.", sie lächelte. "Komm bitte um 15 Uhr hierher, dann geht`s zur Führung für die Neuen. Wir sehen uns!" - "Bis später." Da ich nun wusste, wo mein Zimmer war, schritt ich zielstrebig dorthin. Am Ende des Ganges angekommen, war tatsächlich eine kleine Treppe zu sehen. "Hoch da!", dachte ich und schritt die schmale Wendeltreppe hinauf. Es waren genau 25 Stufen mit schwer bepackten Schultern, bis ich vor einer Tür stand. "Zimmer 386", stand in Schnörkeligen Buchstaben drangeschrieben. Ich klopfte. Nichts. War wohl noch niemand da. Ich öffnete die Tür. Der Raum war tatsächlich leer. "Super.", dachte ich. "Da kann ich mir ja ein Bett aussuchen." Ich sah mich um. Für ein Zimmer mit 3 Betten, mit Platz für 3 Personen war der Raum ziemlich groß. Mir waren die Türme gleich aufgefallen. Es gab 8 auf Schloss von Karlstein, einen bei den Räumen der 5. Klassen, bei den 6., bei den 7., bei den 8. und bei den Grundschülern jeweils einen für eine Klassenstufe. Die Grundschüler waren im hinteren Teil der Burg untergebracht. Mir gefiel der Platz bei der Tür gar nicht, so entschied ich mich für das Bett nahe des Fensters, das hinterste im Raum, von dort aus man zwar die Tür im Blick hatte, aber auch den ganzen Hof sehen konnte. Da ging plötzlich die Tür auf. Ein Mädchen kam herein. Es war groß, hatte etwa schulterlanges, braunes Haar. Sie stellte ihre Tasche auf das Bett neben der Tür. "Hallo.", sagte sie und schritt zu mir herüber. "Ich bin Sara, wie heißt du?" - "Ich heiße Luca. Bist du auch neu hier?", fragte ich schüchtern. "Nein.", sie lächelte und warf ihr Haar zurück. "Das ist mein zweites Jahr, ich bin seit der fünften Klasse hier. Ich kann dir später alles zeigen." - "Danke.", ich lächelte zurück. "Aber Kathrin, die Aufseherin hat mir schon eine Führung für die Neuen angeboten. Wir können ja später was zusammen unternehmen." Sie nickte. "Kathrin ist echt nett. Als ich hier letztes Jahr angekommen bin, hatte ich keine Freunde hier. Sie waren alle nicht nett zu mir.", sie senkte den Blick. "Daher ist es wichtig, dass du Freunde hast." - "Hast du Freunde hier?", fragte ich vorsichtig. "Nein.", sagte sie leise. "Vielleicht können wir Freunde sein.", sagte ich. Saras Gesicht hellte sich auf. "Wirklich?" - "Klar. Freunde?" Ich hielt ihr meine Hand hin. "Freunde.", sie klatschte ein. In diesem Moment öffnete sich die Tür. "Seid gegrüßt, Zimmergenossen!" Ein mittelgroßes Mädchen mit blonden Haaren kam in den Raum. "Oh, hallo Sara.", abfällig schaute sie auf die schrumpfende Sara. "Hallo Lena.", sagte Sara schüchtern. "Oh, eine Neue?", Lena setzte sich auf das freie Bett an der Tür. "Wie heißt du?", fragte sie abfällig, während sie ihre Schminksachen auf den kleinen Spiegeltisch stellte. "Luca.", antwortete ich knapp. "Wie schön, Luca. Willkommen in meiner Gang." - "Deiner Gang?", wiederholte ich ungläubig. "Hör mal zu, Schätzchen.", Lena begann, sich die Fingernägel zu lackieren. "Jeder der angesagt ist, gehört zu meiner Gang.", sie sah mich an. "Oh, ähm, Entschuldige.", sagte Lena abfällig. "Du gehörst dann ja wohl nicht dazu.", erhobenen Hauptes schritt sie zum Kleiderschrank und machte ihn auf. "Hmm... was dagegen, wenn ich zwei Türen besitze?" - "Ja!", fiel ich ihr ins Wort. "Jedem von uns steht genau eine Tür des Kleiderschranks zu! "Pech.", sagte Lena. "Dann will ich aber wenigstens das Fach da..." - "Lass doch was in deinem Koffer!", sagte Sara. Lena schwieg. Befolgte aber tatsächlich Saras Rat. Sara und ich packten unsere Kleiderschrank-Drittel. "Wie ist es hier?", fragte ich, nachdem Lena gegangen war. "Ich stelle mir vor, dass es mit Freunden super sein könnte. Letztes Jahr war es ziemlich schlimm. Mir hat alles nur halb so viel Spaß gemacht, wie mit meinen Freunden zu Hause." Sie packte das letzte Teil in den Schrank. Auch ich war inzwischen fertig geworden. Ich sah auf die Uhr. "Ich muss zur Führung.", sagte ich. "Kein Problem, geh schon, ich habe mir Bücher mitgebracht." - "Ich lese auch gerne! Vielleicht können wir ja mal Bücher tauschen!", bei Büchern vergaß ich alles um mich herum. Bücher waren mein Leben. "Das wäre ja toll!", Sara setzte sich auf ihr Bett. "Ciao.", sagte ich und verließ das Zimmer. Schnellen Schrittes lief ich den Gang hinab, denn es war bereits 5 Minuten vor der vereinbarten Zeit. Für den Gang brauchte man mindestens 4.
Ich kam pünktlich - aber als Letzte. "19..", zählte Kathrin. "20!", sagte ich, als ich ankam. "Gut, dann kann es ja losgehen!", sagte Kathrin und führte uns zur Treppe. "Das ist der Jungenflur.", Kathrin zeigte auf die gegenüber liegende Tür. "Der ist für euch Tabu. Genauso wie für die Jungen der Mädchenflur." sie führte uns die Treppe hinunter. "Dort hinten geht`s zum Speisesaal, jede Klasse hat ihren eigenen Tisch. Wie schon gesagt, dass ist der Teil des Schlosses für die 6. Klassen. Nur auf dem Pausenhof könnt ihr Kontakt zu den größeren Knüpfen!" Kathrin ging weiter, alle hinterher. "Das da Hinten!", sie zeigte aus dem Fenster des Glasganges, auf dem wir uns befanden. "Das ist das Schulgebäude der Unterstufe.", sie führte alle in eine Halle. "Das ist der Sportraum - und gleichzeitig der Veranstaltungsraum. Bei Schulveranstaltungen habt ihr euch hier zu versammeln!" Nachdem Kathrin uns die Unterrichtsräume, die Küche, die Bibliothek, den Pausenhof und den Speisesaal genauestens gezeigt hatte, durften wir in unsere Zimmer gehen. Sara erwartete mich schon. "Hey Luca!", sagte sie. "Kommst du? Frau Winter, die Direktorin wird uns gleich in unsere Klassen einteilen!" Ich schnappte mir meine Jacke aus dem Schrank. Gemeinsam mit Sara trat ich den Weg zur Sporthalle an. "Guten Tag, liebe Schüler!", die Direktorin Frau Winter erhob ihre Stimme. "Die Klassen des letzten Jahres bleiben bestehen, allerdings müsst ihr die Neuankömmlinge gut in eure Klassengemeinschaft aufnehmen. Ich teile euch jetzt den Klassen zu." Ich sah, dass auch die größeren Schüler aus der Oberstufe erschienen. "Die fünften Klassen werden ganz neu gemischt! Also! Silvia Barens?" ... Es dauerte einige Zeit, bis die 6. Klassen ankamen. "Luca Schneder, bitte!" - "Ja, hier!", antwortete ich. "Du wirst in die Klasse Nr. 6 ip kommen! Die Klassensprecherin Lena Belker wird dich in die Klassengemeinschaft einführen! Lena, komm bitte nach oben!" Lena aus meinem Zimmer betrat die kleine Bühne. "Hallo Luca.", sagte sie und zwinkerte mir zu. Ich sah zum Fenster hinaus. "Okay, mehr Neuankömmlinge in der Kasse 6 ip gibt es nicht. Ihr dürft den Saal verlassen!" - "Juchuu!", jubelte Sara. "Ich bin auch in der 6 ip!!" - "Warum ist Lena die Klassensprecherin?", fragte ich irritiert.. "Jeder findet sie cool. Jeder Junge steht auf sie und die Mädchen himmeln sie an. Ich hatte keine Chance." - "Lucaaa!", Lena trabte auf mich zu. "Sara, würdest du uns bitte alleine lassen?" Murrend verließ Sara den Saal. "Ich zeige dir die Jungs!", sagte sie. "Du kannst es dir ja noch überlegen!", flüsterte sie mir zu. Ich schluckte. Lena führte mich in den Keller. Hier war ich noch nicht gewesen. "Was ist hier?", fragte ich. "Hier ist der Spielekeller - und der Partyraum." Stumm folgte ich ihr. Aus einer Tür, vor der wir standen drang laute Musik. Lena zog mich direkt in diesen Raum. "Hey Gigi!", rief Lena. "Ich habe hier ein neues Mitglied!" Ein Junge trat zu mir. "Hey, ich bin Gigi.", sagte er und gab mir die Hand. "Hi Gigi.", sagte ich und gab ihm die Hand. "Da muss ein Missverständnis vorliegen, ich will gar nicht zu eurer Clique gehören." - "Aber Mädchen!", sagte Gigi. "Jeder will doch zur angesagtesten Clique der 6. Klassen gehören.!" - "Tja, ich halt nicht." Gigi schreckte zurück. Lena sah mich giftig an. "Luca! Du bist so dumm! Nun gut, dann stoße ich dich hiermit und für alle Zeiten aus dem Club aus!", sagte sie. "Komm, Gigi!" Gigi sah mir nach, als ich die Kellertreppe wieder hoch ging und zum Speisesaal hinüberlief. Inzwischen war es Zeit für das Abendbrot. Sara saß schon am Tisch unserer Klasse, als sich der Raum nach und nach füllte. "Hey Sara.", sagte ich. "Hey Luca.", sagte Sara und sah mich an. "Was ist mit dir?", fragte ich. "Ach, nichts besonderes. Ich habe nur gerade an Gigi gedacht. Wenn du Lena in den Keller gefolgt bist, dürftest du ihn ja kennen. "Ja, er hat sich mir gerade vorgestellt.", sagte ich. "Was ist mit ihm?" - "Ach, nichts." Ich ließ Sara in Ruhe. Ich wusste nicht, was mit Sara war, doch ich wusste, es hatte etwas mit diesem komischen Jungen zu tun.
Zum Essen gab es Spaghetti mit Tomatensoße. Wie gewohnt schrieb ich alle Einzelheiten über das Essen in mein Tagebuch auf. Ich lag auf meinem Bett und las die Ereignisse der letzten Tage noch einmal durch. Höhepunkt der letzten Tage war gewesen, dass meine Eltern mir gesagt hatten, ich würde nach Schloss von Karlstein fahren. An diesem Tag war der Höhepunkt, dass ich Sara getroffen hatte. Ich sah zur Seite. Lena und Sara schliefen schon friedlich, doch ich konnte nicht schlafen. Um Mitternacht hielt ich es nicht mehr aus. Ich vertrat mir im Mädchenflur die Beine. Das Schicksal führte mich in den Speisesaal der 6. Klassen. "Hallo?" ich hörte eine Stimme. "Hallo!", antwortete ich. "Wer bist du?" - "Ein Mädchen!", sagte ich. "Komm rein! Ich habe eine Taschenlampe." Ich ging ein paar Schritte in die Dunkelheit, bis mich ein Licht anstrahlte. "Hey!", ich hielt mir eine Hand als Schirm vor die Augen. "Hey!" ein Junge sah mich an. "Kannst du auch nicht schlafen?", fragte ich lachend. "Ja, um diese Zeit sitze ich immer hier unten. Ich kann nie schlafen." erst jetzt sah ich den Jungen komplett. Er war ungefähr so groß wie ich, hatte blaue Augen und wuscheliges, kurzes, dunkelblondes Haar. "Bist du neu hier?", fragte er. "Ich habe dich noch nie hier gesehen!", er musterte mich fragend. "Ja, ich bin heute erst angekommen." - "Aha." Er nickte. "Komm, ich zeig dir den besten Platz!" Ich verstand nicht, trotzdem folgte ich dem Licht. "Von hier aus kann man den Mond am besten sehen!" Ich setzte mich auf eine Fensterbank. Lange saß ich dem Jungen gegenüber und sah mir mit ihm zusammen den Mond an. Ich spürte, wie ich müde wurde. "Ich muss jetzt nach oben.", sagte ich müde. "Kommst du morgen wieder?", fragte der Junge. "Klar.", sagte ich, lächelte ihm zu und verließ den Speisesaal. In meinem Zimmer legte ich mich in mein Bett, zog die Decke über meinen Kopf und schlief sofort ein. Das Leben auf Schloss von Karlstein schien doch ziemlich spannend zu sein!